„Feministische Entwicklungspolitik“ braucht eine gerechte Weltwirtschaft


Die aktuelle Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze, hat sich einer "feministischen" Ausrichtung ihres Politikbereiches verschrieben. Wir fragen im folgenden nach den Bedingungen, unter denen eine "feministische Entwicklungspolitik" gelingen könnte. Daran schließt sich die Frage an, ob bei den im globalen Süden aktiven NGOs auch eine „feministische Projektarbeit“ gibt. 

Die Projektarbeit der ASW scheint uns unter dieses Dach zu passen, obwohl wir die Wortverbindung nie genutzt haben. Seit den 80er Jahren setzen wir uns gezielt für eine Stärkung von Frauen und ihrer Rechte ein und fördern Partnerorganisationen in sieben Ländern, die vor allem Frauen organisieren und „empowern“. Aufgrund des Fortbestehens, in einigen Ländern sogar einer Verstärkung patriarchaler Unterdrückung und geschlechtsspezifischer Ungleichheiten in den vergangenen Jahren, halten wir es nach wie vor für dringlich, das weiterhin zu tun.

Gleichzeitig wissen wir, dass es mit „feministischer Projektarbeit“ nicht getan ist. Damit es Frauen weltweit besser geht, braucht es auch ein anderes Umfeld und besonders ein gerechteres globales Wirtschaftssystem.

Genau hier ist die Schwachstelle an dem Vorstoß von Entwicklungsministerin Svenja Schulze: Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) allein kann keine feministische Entwicklungspolitik realisieren, wenn alle anderen Regierungsfelder von patriarchalen Strukturen und neoliberalen Überzeugungen geprägt sind. Das Wirtschafts-, Finanz-, Landwirtschaftsministerium und vor allem die EU, die G7-Staaten, der Pariser Club, der IWF und die Weltbank müssten umschwenken und gerechte Rahmenbedingungen setzen.

Ganz oben auf der Liste steht für uns ein strenges europäisches Lieferkettengesetz, das international tätige Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Arbeitsstandards an allen Gliedern der Lieferkette zwingt. Das letzte Glied sind meist die Produktionsabschnitte mit  prekären Frauenjobs. Extremausbeutung, Rechtlosigkeit und sexuelle Übergriffe sind hier an der Tagesordnung. Deren Verhinderung durch neue Standards könnte sich mit Recht „feministische Entwicklungspolitik“ nennen.

Auch bilaterale und multilaterale Handels- und Wirtschaftsabkommen müssen auf den „feministischen“ Prüfstand. Zum Beispiel sollten die afrikanischen Länder von der EU nicht mehr über sogenannte „Partnerschaftsabkommen“ (EPAs) zu einer Öffnung ihrer Märkte gezwungen werden. Der Schutz der eigenen Wirtschaft bleibt bei den Vertragspartnern im Süden auf der Strecke – meist gekoppelt mit dem Verlust vieler einheimischer Arbeitsplätze. Die größten Verliererinnen von Armut und Unterbeschäftigung sind wiederum die Frauen.

Schuldenerlasse für Länder des Südens könnten sich extrem positiv auf Frauen auswirken. Denn viele Länder des Südens können ihren Schuldendienst nur auf Kosten öffentlicher Dienstleistungen aufrechterhalten, investieren weniger in Gesundheit und Bildung. Hier sind die größten Verliererinnen die Frauen.

Waffenexporte: Es ist geradezu antifeministisch, Waffen in instabile Regionen zu liefern oder an direkte Kriegsparteien wie Saudi-Arabien im Jemenkrieg, weil Frauen und Kinder am schutzlosesten (auch sexualisierten) Angriffen auf die Zivilbevölkerung und den Folgen von Rationierungen und Unterversorgung ausgesetzt sind.

Dieses sind auch mögliche Ansatzpunkte zivilgesellschaftlicher Organisationen, die „feministische Entwicklungspolitik“ beim Wort nehmen: Kampagnenarbeit für ein anderes Wirtschaftssystem, für Schuldenerlasse, gegen Waffenexporte bei gleichzeitiger Solidaritäts- und Unterstützungsarbeit für politisch aktive Frauennetzwerke im globalen Süden.
Ein Beispiel ist aktuell die ASW-Teilnahme an der Kampagne für ein europäisches Lieferkettengesetz und an einer Lobbygruppe, die Politiker:innen in Berlin zu den gravierenden Menschenrechtsverletzungen beim großen Wirtschaftspartner Indien sensibilisiert.

Von Isabel Armbrust